Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkauf
Hintergrund
Im März 2017 erwarb der Kläger einen im Juli 2013 erstzugelassenen Gebrauchtwagen von der Beklagten. Hierfür bezahlte er 33.790,00 € brutto. Zweimal hintereinander hatte der Turbolader einen Defekt, sodass der Kläger jeweils eine Werkstatt aufsuchen musste. Zudem traten Mitte Juni 2017 Probleme mit dem Luftfahrwerk – einer adaptiven Luftfederung zur stufenlosen Anpassung der Dämpferhärte und zur Justierung der Bodenfreiheit des Fahrzeugs – auf.
Hierauf verbrachte der Kläger sein Fahrzeug zwei weitere Male in Absprache mit der Beklagten in eine Werkstatt. Ende Juni / Anfang Juli 2017 wurde beim ersten Werkstattbesuch eine Fehleranalyse durchgeführt. Nach dem Austausch eines Relais funktionierte das Luftfahrwerk zunächst wieder.
Allerdings ließ der Kläger am 12.07.2017 das Fahrzeug erneut wegen Problemen mit dem Luftfahrwerk in die Werkstatt verbringen. Er behauptete das Fahrzeug habe sich abgesenkt und sei nicht mehr fahrbereit. Die Werkstatt blieb bei ihrer Fehlersuche erfolglos und vorsorglich wurde ein „Reset“ des Relais durchgeführt. Danach konnte das Fahrzeug zunächst störungsfrei genutzt werden.
Der Kläger trat jedoch mit anwaltlichen Schreiben vom 18.08.2017 vom Kaufvertrag zurück. Er begründete dies damit, dass der Mangel am Luftfahrwerk weiterhin nicht behoben gewesen sei. Weitere Nachbesserungsversuche seien ihm nicht zumutbar.
Das LG Landau (Urteil vom 27.08.2020, AZ: 4 O 346/17) holte ein Sachverständigengutachten ein und gab der Klage weitgehend statt. Das OLG Zweibrücken (Urteil vom 26.10.2021, AZ: 5 U 163/20) wies die Klage indes ab. Es hatte zwar die Revision zum BGH nicht zugelassen. Die Zulassungsbeschwerde des Klägers war jedoch erfolgreich.
Aussage
Der BGH sah hier im Hinblick auf den Kläger das Gebot rechtlichen Gehörs verletzt. Das Berufungsgericht habe für die Frage, ob aufgrund der im Streitfall gegebenen Umstände eine Fristsetzung vor der Rücktrittserklärung des Klägers gemäß § 440 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 BGB oder gemäß § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre, maßgebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen. Anders als das Berufungsgericht ging der BGH sehr wohl davon aus, dass der Kläger substantiiert dargelegt hatte, wann welcher konkrete Mangel am Fahrzeug nach welchen Reparaturen bzw. nach dem „Reset“ des Relais zurückgeblieben oder aufgetreten sei.
In seiner Rücktrittserklärung habe der Kläger die erneut aufgetretenen Störungen am Luftfahrwerk näher beschrieben. Am 08.07.2017 habe sich nach dem Austausch des Relais ein Absenken des Fahrzeugs mit unterschiedlich hoch eingestellten Dämpfern an den Fahrzeugachsen gezeigt. Auch im Rahmen der zweiten Vorstellung des Fahrzeugs bei der Werkstatt am 12.07.2017 habe dies nicht beseitigt werden können. Vielmehr habe es auch da Probleme mit dem Luftfahrwerk und ständige (mit früheren Meldungen identische) Fehlermeldungen im Display gegeben. Diesen Vortrag des Klägers, welchen das Berufungsgericht im Tatbestand noch teilweise erwähnte, würdigte es allerdings nicht in den Entscheidungsgründen.
Das rügte der BGH. Es liege eine Gehörsverletzung vor und diese sei auch erheblich. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht die Frage der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung wegen Fehlschlagens der Nachbesserung unter der Berücksichtigung der übergangenen Umstände anders beurteilt hätte.
Dem Käufer obliege zwar die Darlegungs- und Beweislast für die Erfolglosigkeit des Nachbesserungsversuchs, wenn er die Kaufsache nach einer Nachbesserung wieder entgegengenommen habe. Dieser genüge er aber, wenn er darlegt bzw. den Beweis führt, dass das von ihm gerügte Mangelsymptom – hier die unterschiedlich hohen Dämpfer an den Fahrzeugachsen, das Absenken des Fahrzeugs mit der daraus folgenden Einschränkung der Fahrbarkeit und die auftretenden Fehlermeldungen im Display – auch nach den Nachbesserungsversuchen weiterhin auftraten. Es komme eben nicht darauf an, ob der Sachmangel möglicherweise auf eine neue Mangelursache zurückgeführt werden könne – dies zumindest dann, wenn die Mangelursache allein im Fahrzeug zu suchen ist und nicht auf einer unsachgemäßen Behandlung seitens des Käufers oder eines Dritten beruhen kann.
Das Berufungsgericht habe auch das zentrale Vorbringen des Klägers zur Sicherheitsrelevanz der geltend gemachten – und nach seinem Vortrag weiterhin nicht behobenen – Störungen übergangen – dies im Rahmen der Überprüfung der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung wegen Unzumutbarkeit. Denn der Kläger hatte behauptet, in Folge der störungsbedingten unterschiedlich hohen Absenkungen des Fahrzeugs, teilweise an der Hinterachse bis auf den tiefsten Punkt, sei das Fahrzeug instabil und nicht mehr verkehrssicher fahrbar gewesen. Beim Luftfahrwerk habe es sich um ein sicherheitsrelevantes Bauteil gehandelt. Das Fahrzeug habe aus technischer Sicht nicht mehr bewegt werden dürfen. Somit musste das Fahrzeug für den zweiten Werkstattbesuch am 12.07.2017 auch abgeholt werden. Es war nicht mehr fahrbereit.
Hätte das Berufungsgericht den entsprechenden Vortrag des Klägers in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen, wäre es nicht auszuschließen gewesen, dass es bei der Beurteilung, ob dem Kläger unter den hier gegebenen Umständen ein (weiterer) Nacherfüllungsversuch unzumutbar gewesen sei, zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Praxis
Der Kläger musste hier durch alle Instanzen prozessieren und sogar Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf die Revision einlegen. Diese war erfolgreich. Der BGH gab dem Berufungsgericht auf den Weg, dass es sich nicht ausreichend mit dem klägerischen Vortrag auseinandergesetzt hatte.
Das OLG Zweibrücken hätte hier mehr auf die Unzumutbarkeit der Nachbesserung eingehen müssen. Bei Berücksichtigung des klägerischen Vortrags rechtfertigte sich durchaus der Schluss, dass es dem Kläger unzumutbar gewesen sei, sich auf weitere Nachbesserungsversuche einzulassen. Es geht darum, dass das Fahrzeug wegen der vom Kläger behaupteten – wiederholt aufgetretenen – Störungen am Luftfahrwerk nicht hinreichend verkehrssicher war, da die konkrete Ursache der Funktionsstörungen bei vorangegangenen Werkstattbesuchen nicht ermittelt werden konnte. Die bisherigen – lediglich „vorsorglich“ – mit ihrem Wirken jeweils nur „für eine kurze“ Zeit vorgenommenen Versuche einer Mangelbeseitigung hätten die Beseitigung des tatsächlich vorhandenen Mangels für eine unbestimmte Zeit und mit der Ungewissheit über ein erneutes Auftreten hinausgeschoben. Bei einer Gesamtwürdigung könnte dies dazu führen, dass dem Kläger eine weitere Nutzung des Fahrzeugs und damit auch eine weitere Nachbesserung nicht mehr zumutbar sei.